Die neue Strategie des Liechtensteinischen Bankenplatzes

Interview mit Simon Tribelhorn, Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbandes.

Wie geht es dir nach 9 Monaten Pandemie, ­Homeoffice und Einschränkungen?
Erstaunlich gut, auch wenn die wichtige Vernetzung mit unseren Anspruchsgruppen anspruchsvoller geworden ist. Zwar ist die Welt scheinbar näher zusammengerückt und die virtuelle Kommunikation Normalität geworden. Es fehlt aber der direkte, persönliche Austausch. Wir waren dankbar, dass wir praktisch vom Tag 1 «remote» arbeiten konnten. Das hat sehr gut funktioniert.

Corona-Hilfe "Freude schenken": Wie kommt es zu dieser Zusammenarbeit und was sind die Reaktionen darauf?
«Freude schenken» ist ein Projekt des Liechtensteinischen Bankenverbandes und des Amts für Soziale Dienste, welches den Liechtensteinischen Familien mit der Schaffung eines Ferienangebots für Kinder in Liechtenstein «Danke» für die grossartigen Leistungen in dieser schwierigen Zeit sagen möchte.

Ausgangspunkt war unser tiefes Bedürfnis, den Familien Für ihre grossen Opfer während des Lockdowns Dankeschön zu sagen. Gemeinsam mit den Banken haben wir innert kürzester Zeit die Aktion «Freude schenken» auf die Beine gestellt. Die positiven Reaktionen haben uns überwältigt. Die Aktion hat unsere Erwartungen bei Weitem übertroffen. Dies machen zwei Zahlen deutlich. Von den insgesamt offerierten 184 Ferienangeboten an die Jugendlichen mussten lediglich drei wegen zu geringen Anmeldungen abgesagt werden. Damit konnten wir insgesamt über 5000 Mal Freude schenken.

Finanzplatz Liechtenstein und Lock-Down -  wie geht ihr damit um und was sind die Auswirkungen?
Die Pandemie ist nach wie vor eine grosse gesundheitliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderung. Es ist zu hoffen, dass wir mit den getroffenen Massnahmen und den Impfungen das Virus im kommenden Jahr besiegen können und langsam wieder Normalität einkehren wird. Gesamtwirtschaftlich zahlt es sich aus, dass unsere Wirtschaft sehr solide aufgestellt ist und somit diesen Nachfrageschock relativ gut verarbeiten konnte. Zusätzlich konnten auftretende Härtefälle dank sehr solider Staatsfinanzen gemildert werden. Dank der resilienten, auf Langfristigkeit ausgerichteten Geschäftsmodelle konnten auch unsere Banken bis anhin die wirtschaftliche Krise erstaunlich gut meistern. Alle Banken in Liechtenstein gehen mit der Pandemie sehr professionell um. Wir verfügen über einen sehr grossen Anteil an Mitarbeitenden aus dem angrenzenden Ausland, die vor der Pandemie jeden Tag nach Liechtenstein gependelt sind. Mit Corona hat sich die Art und Weise, wie und vor allem wo wir arbeiten, erheblich verändert. Mittel- bis längerfristig werden weder Mitarbeitende noch Arbeitgeber ganz auf die Vorteile von Homeoffice verzichten wollen und können. Hybride Formen oder das «Flexible Office» dürften nach der Corona-Zeit dominieren.

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ALLE BANKEN IN LIECHTENSTEIN GEHEN MIT DER PANDEMIE SEHR PROFESSIONELL UM.

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Welche aktuellen Herausforderungen beschäftigen den Liechtenscheiner Finanzplatz zusätzlich zur Pandemie?
Im ersten Quartal 2021 werden wir unsere neue Strategie des Bankenplatzes (Roadmap 2025) verabschieden können. Wir sehen vier Hauptherausforderungen für die Zukunft.

Erstens sollen die Banken einen wichtigen Beitrag zur Transformation der globalen Wirtschaft bezüglich mehr Nachhaltigkeit im Sinne der umfassenden Nachhaltigkeitszielen der UNO leisten.

Zweitens befindet sich die ganze Branche in einem weitreichenden Wandel, der auch von der zunehmenden Digitalisierung und neuen innovativen Marktteilnehmern geprägt ist. Wir müssen uns teilweise neu erfinden, damit wir die Veränderungen der Wertschöpfungskette unseres Geschäfts aktiv mitgestalten können. Innovationen und Investitionen sind jetzt gefragt.

Drittens stehen 2021 zwei wichtige, internationale Assessments an, zum einen im Bereich des automatischen Austauschs von Steuerinformationen und zum anderen bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Hier geht es um die Überprüfung der Effektivität der in Liechtenstein getroffenen Massnahmen bezüglich der internationalen Standardkonformität. Diese Ergebnisse werden die Aussenwahrnehmung von Liechtenstein langfristig prägen. Es gilt also hier gut abzuschneiden, denn die Reputation ist unser höchstes Gut.

Viertens schliesslich stellen wir fest, dass sich der internationale Regulierungstrend weiter fortsetzen wird und sich leider nach wie vor an grösseren, internationalen Instituten orientiert. Wir sprechen uns nicht gegen Regulierungen aus, ganz im Gegenteil. Aber wir werden uns weiterhin für eine grössenverträgliche, proportionale und vor allem risikobasierte Regulierung einsetzen.

In eurer Strategie wird demnach "hohe Innovationsfähigkeit und Effizienz" eine zentrale Rolle einnehmen. Welche Dienstleistungen/Produkte/Services sind damit gemeint und mit welchen Mitteln wollt ihr Innovationen erzeugen und die Effizienz steigern?
Ein Aspekt ist die technologischen Möglichkeiten so zu nutzen, dass dem Kunden noch bessere und massgeschneiderte Dienstleistungen angeboten werden können, ohne auf den Vorteil der persönlichen Beratung verzichten zu müssen und gleichzeitig die Prozesse weiter zu automatisieren bzw. zu optimieren, die Kosten zu senken und positive Skaleneffekte zu erzielen. So gehen dadurch entstehende Effizienzgewinne nicht zulasten der Dienstleitungsqualität, sondern generieren einen zusätzlichen Kundennutzen.

Weiter geht es uns aber auch darum, die Digitalisierung in den Dienst der Nachhaltigkeit zu stellen. Durch die zunehmende Digitalisierung werden in der Finanzbranche deutlich transparentere Strukturen geschaffen, auch in Bezug auf die Datenqualität. Die Finanzunternehmen werden so besser in der Lage sein, nachhaltige Anlagen anzubieten, da ihnen bessere und verlässlichere Nachhaltigkeitsinformationen zur Verfügung stehen werden. Zentral erscheint mir, dass bei all diesen Entwicklungen eng mit der Politik und den Behörden zusammengearbeitet wird, damit bestehende Regulierungen entsprechend angepasst werden können und Innovation nicht verhindert werden. Bestes Beispiel dafür war Anfang 2020 die Einführung des international ersten «Blockchain Gesetzes». Liechtenstein und die diversen Institutionen, von der Regierung über die FMA (Finanzmarktaufsicht Liechtenstein) bis hin zu den Finanzintermediären, konnten als „first mover“ auf allen Ebenen in einem sehr frühen Stadium zahlreiche Erfahrungen in diesem wichtigen Zukunftsbereich sammeln und sehr viel Know-how aufbauen. Das Fürstentum wird entsprechend wahrgenommen und kann auf dem internationalen Parkett mitreden. Last but not least ist unser Land prominent auf der Landkarte, wenn es um Standortentscheide geht. Wir sind überzeugt, dass sich dies langfristig auf die Attraktivität und die Wertschöpfung für das gesamte Land auszahlen wird, weshalb es diesen Weg der vorausschauenden Gestaltung unserer Zukunft fortzusetzen gilt.

SWIFT Service «Global Payments Innovation (gpi)» steht vor der Tür. Was sind die Erwartungen des Finanzplatzes und wie ist der Stand der Umsetzung in Liechtenstein?
SWIFT gpi hat den Service für grenzüberschreitende Zahlungen verändert. Jetzt können die Finanzinstitute für ihre Kunden internationale Zahlungen über Korrespondenzbanken-Ketten in Echtzeit verfolgen und ihre Auskunftsfähigkeit stark erhöhen. Ferner erhält man eine Bestätigung, wenn die Zahlungen gutgeschrieben werden sowie Transparenz über die anfallenden Gebühren. Das ist ein grosser Vorteil für die Banken und deren Kunden. Zeitverluste für die Abklärungen können so stark reduziert werden. Mit der Stop/Recall-Funktion besteht auch erstmals die Möglichkeit, direkt eine Transaktion in der Korrespondenzbanken-Kette zu stoppen. Die Banken können ihren Kunden mit den SWIFT gpi Services einen deutlichen Mehrwert bei grenzüberschreitenden Zahlungen bieten. Seit der Einführung von gpi Anfang 2017 hat die Akzeptanz denn auch sehr schnell zugenommen. International wird SWIFT gpi immer mehr zu einem Standard für alle grenzüberschreitenden Zahlungen. Eine liechtensteinische Grossbank hat SWIFT gpi deshalb bereits eingeführt; die zwei anderen werden voraussichtlich 2021 folgen.

Ein anderes Thema mit SWIFT ist die Migration auf ISO 20022. Was sind die Pläne für die Umsetzung und wo steht der Finanzplatz in diesem grossen Projekt?
Die Liechtensteinischen Banken verfolgen das Thema intensiv und die Umstellung der alten SWIFT-Meldungstypen, vor allem im Zahlungsverkehr, wird bei allen zu grösseren Aufwendungen führen. Es ist für Liechtenstein positiv, dass SWIFT während der Übergangs- bzw. Parallelphase eine gute Lösung anbietet, welche schnellen und weniger schnell umsetzende Instituten die Fortführung der Zahlungsverkehrsdienstleistungen ermöglicht, auch wenn die Sender- bzw. Empfängerbank mit unterschiedlichen Meldungen arbeitet.

Die anstehenden Umstellungstermine sind bei den Banken auf den mittelfristigen Projektlisten vorhanden. Diese werden jedoch aus Erfahrung mit den früheren Migrationsprojekten derzeit nicht mit höchster Priorität behandelt und die Banken in Liechtenstein werden tendenziell nicht zu den «first movern» gehören. Dies ist unter anderem auch dem Umstand geschuldet, dass die hiesigen Institute keine Korrespondenzbank-Dienstleistungen für andere Finanzinstitute anbieten.

Welches sind aus Sicht des Finanzplatzes Liechtenstein weitere Herausforderungen für die Zukunft (bezüglich Regulatoren, Infrakstruktur etc.)?
Seit 1980 ist Liechtenstein einerseits aufgrund des Währungsvertrages mit der Schweiz an die Schweizer Zahlungssysteme angeschlossen und profitiert in erheblichem Masse davon. Andererseits muss Liechtenstein als EWR-Mitglied gerade auch in Zahlungsverkehrsbelangen EU-Recht umsetzen und anwenden. Dies stellt Land und Finanzplatz seit Jahren vor grössere regulatorische und praktische Herausforderungen. Diesen Spagat wird Liechtenstein auch künftig meistern müssen. Er ist gleichsam der Preis für den Zugang zum EU-Binnenmarkt und den stabilen Schweizer Franken als gesetzliche Währung.

gpi, ISO 20022 Migration, Shareholder Rights Directive II (SRD II) und vieles mehr. Was sind die Erwartungen an den Verein SASFS und deren Fachexperten? Wo und wie können wir die Mitglieds-Institute bei der Umsetzung der diversen Anforderungen unterstützen?
Es ist ein grosser Vorteil, dass wir im Verein mit dabei sein dürfen und sogar auf Vorstandsebene durch Bruno Huwyler vertreten sind. Dafür sind wir sehr dankbar. Die SASFS beschäftigte sich frühzeitig mit den genannten Themen und Standardisierungsfragen im Finanzbereich, was auch für uns sehr wertvoll ist. Durch die Einbindung profitieren wir aber nicht nur davon, sondern auch vom aktiven Austausch mit den anderen Banken im Schweizerfranken-Raum. Gleichzeitig sind wir in der Lage, wichtige Informationen und Inputs mit der Schnittstelle zur EU einzubringen. Die heterogene Zusammensetzung ist bei all diesen Fragen sicher ein enormer Mehrwert und auch der Einbezug von Corporates im SWIFT-Vorstand hat sich als sehr wertvoll erwiesen. Unsere Erwartungen und Bedürfnisse sind also in der SASFS sehr gut abgedeckt.

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ES IST EIN GROSSER VORTEIL, DASS WIR IM VEREIN MIT DABEI SEIN DÜRFEN UND SOGAR AUF VORSTANDSEBENE DURCH BRUNO HUWYLER VERTRETEN SIND.

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Neben all diesen aktuellen Themen, wo siehst du noch weiteren Standardisierungsbedarf und/oder ein grösseres Engagement von Seiten SASFS?
Die Migration auf den ISO 20022 Standard wird uns noch einige Jahre beschäftigen und es wird sich zeigen, wo es noch weiteren Anpassungsbedarf gibt. Hinzu kommen die anderen Vorhaben der Roadmap Zahlungsverkehr Schweiz. Darüber hinaus sehen wir im Moment keinen zusätzlichen dringenden Standardisierungs- bzw. Handlungsbedarf.

Zurück zum Liechtensteinischen Bankenverband. Was sind die nächsten Ziele für den Verband/Finanzplatz Liechtenstein für die nächsten Jahre?
​​​​​​Im Vordergrund steht sicher die Umsetzung unserer neuen Roadmap 2025, die uns auch als Orientierungsrahmen für unsere künftigen Aktivitäten dient. Es wird prioritär darum gehen, den dringend nötigen Beitrag zur Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit leisten. Deshalb lautet unser Motto auch: «Wachstum durch Nachhaltigkeit und Innovation». Der anhaltende Klimawandel ist eine der grössten, globalen Herausforderungen. Wir sind die erste Generation, die unseren Planeten nachhaltig zerstört und wohl die letzte, die das noch verhindern kann. Der Finanzierungsbedarf für die Erreichung der Pariser Klimaziele sowie der breiter gefassten nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen ist enorm. Das jährliche weltweit benötigte Investitionsvolumen um die SDGs zu erreichen, beläuft sich gemäss PWC auf 7 Billionen US-Dollar. Zurzeit wird nur gerade ein Siebtel davon durch die öffentliche Hand finanziert. Ein substanzieller Teil muss somit von der Privatwirtschaft kommen. Der Finanzsektor und die Banken im Speziellen können und müssen somit eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung und Kanalisierung dieser finanziellen Mittel einnehmen. Dies bedeutet eine grosse Verantwortung, bringt aber auch eine grosse Chance mit sich. Denn wenn wir diese Transformation erfolgreich begleiten, kreieren wir das notwendige Wachstum, um weiterhin Wohlstand zu schaffen.

Was ist deine persönliche Zukunftsvision für den Finanzplatz Liechtenstein 2030?
Meine Vision ist zwar einfach formuliert, aber sehr ambitiös in der Umsetzung. Ich möchte, dass Liechtenstein in der beschriebenen Transformation eine gestaltende Rolle übernimmt und damit zu einem der führenden Finanzzentren weltweit im Bereich nachhaltiger Finanzierungen und zur Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele entwickelt. Das Ziel muss es sein, mit all unseren Produkten und Dienstleistungen eine echte Wirkung zum Nutzen unserer Kunden und der zukünftigen Generationen zu erzielen. Dabei gehen Digitalisierung und Nachhaltigkeit Hand in Hand. Die Nachhaltigkeit beantwortet die Frage nach dem «Was» und die Digitalisierung diejenige nach dem «Wie». Wenn wir in der Lage sind, Teil dieses Transformationsprozesses zu sein und ihn aktiv voranzutreiben sind Teil der Lösung und nicht des Problems. Ich glaube fest daran, dass Liechtenstein grundsätzlich gut positioniert ist, hier eine tragende Rolle zu spielen.

Lieber Simon, vielen Dank für das Interview und die spannenden Einblicke in den Liechtensteinischen Bankenverband.

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