Zusammenarbeit der Vereinigungen und Gremien im Schweizer Markt

Ein Bericht mit Fokus auf die am 3. September 2020 in Kraft gesetzte
EU Shareholder Rights Directive II (SRD II).

Die EU Shareholder Rights Directive II (SRD II) hat eine extraterritoriale Wirkung in der Schweiz auf alle Intermediäre und deren Kunden, welche Europäische Aktien in Wertschriftenportfolios halten. Um eine möglichst harmonisierte Umsetzung der Direktive zu gewährleisten, wurden von den Europäischen SRD II Industrie Task Forces «Best Practices/Standards» definiert. Diese «Best Practices/Standards» und die damit einhergehenden Prozesse wurden allesamt basierend auf dem Standard ISO 20022 entwickelt und vereinbart. Ziel dabei war, alle dazugehörigen Prozesse automatisiert durchzuführen und damit eine Erhöhung der StraightThroughProcessingRate (STPRate) zu erreichen. Ohne diesen Automatisierungseffekt könnten gewisse Erfordernisse des Gesetzes nicht erfüllt werden. Es gibt darin geforderte Dateninhalte oder ganze Prozesse (z.B. Shareholder Identification Process), die im aktuellen ISO 15022 Format nicht existieren und damit nicht abgebildet werden können. Diese neu definierten SRD II Abläufe und Vorgaben funktionieren national und vor allem grenzüberschreitend nur, wenn «ganze Märkte» sich darauf umgestellt haben und damit operieren.

Die Implementierung der Direktive respektive deren Umsetzung in den nationalen Gesetzgebungen der Mitgliedstaaten der EU ist aus unterschiedlichen Gründen verspätet oder z.T. noch nicht vollständig erfolgt. Dies gilt in der Folge auch für die Anpassung der nationalen Wertschriftenprozesse. Diese Situation führt in den Märkten im Post-Trade Bereich zu grosser Unsicherheit und für die betroffenen Institute (z.B. Banken und Finanzmarktinfrastrukturen) gehen damit schwer einschätzbare Risiken einher. Dieser Zustand verursacht seit der Einführung von SRD II bei den Intermediären eine Gratwanderung zwischen der vollständigen Erfüllung von Anforderungen eines Gesetzes in einem rechtsunsicheren Raum unter gleichzeitiger Minimierung von Risiken mit institutsindividuellen oder bestenfalls nationalen Lösungen. Dies ist dadurch bedingt, dass die zur Erfüllung notwendigen ISO 20022 Prozesse noch nicht flächendeckend vorliegen und eingeführt sind. 

Die Europäischen und Schweizerischen Vereinigungen und Gremien können diese Ambivalenz nicht selbst lösen, aber sie sind dennoch für ihre Mitglieder einerseits eine gute Austauschplattform für ein gemeinsames Verständnis der Situation und andererseits eine Dialogmöglichkeit zum gemeinsamen Finden temporärer Lösungen und gegenseitiger Unterstützung. Mit SRD II sind auch die Schweizer Marktteilnehmer im Wertschriftenbereich erstmals und sehr konkret mit der «ISO 20022» Thematik auf Gesetzesstufe konfrontiert worden. ISO 20022 Prozesse im Wertschriftenbereich werden künftig immer mehr erforderlich sein. In Europa zeigen der Trend und die aktuellen Entwicklungen schon seit längerer Zeit in die Richtung einer strikte auf ISO 20022 Standardisierung ausgerichteten Abwicklung auch im Wertschriftenbereich, was vielen Instituten – nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa – erst mit SRD II bewusst wurde. Neben regulatorischen Anforderungen stehen Initiativen der Europäischen Zentralbank (EZB) wie die zentrale Europäische Settlement Plattform Target2-Securities (T2S) mit den regelmässigen Anpassungen, oder das Projekt mit einem zentralisierten Collateral Management, welches gemäss Planung im November 2023 Live gehen wird, auf der aktuellen Roadmap.

Solche Projekte erfahren im Kontext der EU Capital Market Union eine entsprechende Unterstützung des Gesetzgebers. Das Eurosystem Collateral Management System (ECMS) basiert auf einem «single rulebook» welches seinerseits wiederum auf dem internationalen Messaging Standard Format ISO 20022 beruht, um (i) das Collateral in Europa (EU, UK und Schweiz) gesamthaft und einheitlich bewirtschaften zu können; (ii) Einheitlichkeit mit einer Serie von gemeinsamen Standards herzustellen; (iii) Harmonisierung bei den Business Prozessen, Workflows und dem Messaging zu erreichen; (iv) und damit für Betreiber und Nutzer der Collateral Management Dienstleistungen (z.B. (I)CSDs, Triparty Agents, Depotstellen, Zentralbanken/Nationalbanken, Emittenten, zentrale Gegenparteien und Clearing Häuser) einen Mehrwert und STP zu erreichen. Mit dem ECMS und seinem STP Effekt werden sowohl die Interoperabilität gefördert und unterstützt als auch die generelle Verfügbarkeit von Collateral erhöht. Ein weiteres EZB Projekt, ebenfalls basierend auf ISO 20022, ist der Emissionsbereich. Dieses ist zwar in einem Anfangsstadium, aber auch darauf muss sich die Wertschriftenindustrie in Europa einstellen, da auch dieses im Sinne der Capital Market Union weitere Harmonisierungen in der Wertschöpfungskette erzielen soll.

Die angesprochenen Entwicklungen, Harmonisierungen und Standardisierungen in Europa werden als Europäische «Best Practices» gehandelt und können nur schon aufgrund der grenzüberschreitenden Verknüpfung im Wertschriftengeschäft (internationale Portfolios oder internationale Kunden) vom Schweizer Markt nicht ignoriert werden. Es versteht sich von selbst, dass derartige Veränderungen ebenfalls Auswirkungen auf angrenzende Prozesse wie z.B. Corporate Actions, Emissionen, Valorendaten Bewirtschaftung, Steuern usw. haben oder haben werden.

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DIE AKTUELLEN ENTWICKLUNGEN INNERHALB DER EU SIND KOMPLEX UND AUCH SCHWIERIG IN IHRER TRAGWEITE FÜR DEN SCHWEIZER MARKT ZU ERFASSEN UND EINZUORDNEN.

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Sie haben deshalb – spätestens durch die Einführung und Umsetzung der SRD II – auch bei den Schweizer Stakeholdern im Post-Trade Bereich im Jahr 2020 vermehrt zu Verunsicherung geführt. Im vergangenen Jahr waren diese Entwicklungen deshalb regelmässig im SASFS, im swissSPTC (Swiss Securities Post-Trade Council) und seinen Fachgremien (Corporate Actions und Settlement), wie auch in der Swiss NSG (Swiss National Stakeholder Group) Thema und wurden diskutiert. Bei diesen Diskussionen rund um die Thematik von ISO 20022 im Wertschriftenbereich hat sich gezeigt, dass die Schweizer Marktteilnehmer aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausrichtungen im Markt sehr ungleich mit der Thematik konfrontiert waren. In der Folge divergieren der Kenntnisstand sowie auch die Einschätzung zu den möglichen Auswirkungen bei den Marktteilnehmern stark. Dem Schweizer Markt fehlt bis heute eine stabile Grundlage und Übersicht als Basis, um einen abgestützten und faktenbasierten Entscheid als Aktion und Reaktion auf die Europäischen Entwicklungen fällen zu können.

Das swissSPTC hat basierend auf Gesprächen mit SASFS und Swiss NSG entschieden, eine Task Force einzuberufen, bestehend aus Vertretern der Schweizer Wertschöpfungskette im Wertschriftenbereich, Vertretern der betroffenen Vereinigungen wie auch von SWIFT Schweiz. Als Ziel hat sich die Task Force gesetzt, im Verlaufe von Q2/2021 ein Grundlagenpapier zu obigen Themen zu erstellen, welches zur Übersicht, Entscheidungsfindung und Ableitung nächster Schritte im Schweizer Post-Trade Bereich beitragen soll.        

Ich bin überzeugt, dass die Kooperation von SASFS, Swiss NSG und swissSPTC mit den sich ergänzenden Fachkompetenzen für die ISO 20022 Thematik einen Mehrwert generieren wird. Diese enge Zusammenarbeit wird massgeblich bei der Findung eines gemeinsamen und koordinierten Weges für den Schweizer Post-Trade-Wertschriften-Markt beitragen. Ich danke allen Vereinigungen und Instituten, die dafür Ihre Fachkräfte zur Verfügung gestellt haben, sowie den Fachkräften selbst für ihr Engagement in diesen Themen.  

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